Die Phantomlohnfalle bei geringfügig Beschäftigten
1 Definition Phantomlohn
Der Phantomlohn bezeichnet einen Lohn oder bestimmte Lohnbestandteile, die dem Arbeitnehmer nicht ausgezahlt wurden, obwohl dieser einen Rechtsanspruch darauf hat. Wegen Berücksichtigung des Entstehungsprinzips in der Sozialversicherung, sind demnach auch die Lohnbestandteile, auf die der Arbeitnehmer einen rechtlichen Anspruch hat, sozialversicherungspflichtig, auch wenn sie fälschlicherweise nie an den Arbeitgeber gezahlt wurden.
Der Phantomlohn taucht in der Praxis vor allem in Sozialversicherungsprüfungen auf. Besonders in Zusammenhang mit den folgenden Punkten kommt es oft zur Entstehung eines Phantomlohns und folglich zu Nachzahlungen in Prüfungen:
- Arbeit auf Abruf
- Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
- Entgeltfortzahlung bei Urlaub
2 Die Phantomlohnfalle bei geringfügig Beschäftigten
Vor allem bei geringfügig beschäftigten Arbeitnehmern gilt besondere Vorsicht!
Wenn die oben genannten Punkte nicht berücksichtigt werden, besteht die Gefahr die Verdienstgrenze von 520,00 € pro Monat zu überschreiten, was zur Gefährdung des geringfügigen Statutes und somit zur vollen Sozialversicherungsplicht führen würde.
2.1 Arbeit auf Abruf
Besonders in der Hotellerie und Gastronomie ist die Arbeit auf Abruf bei geringfügig Beschäftigten weit verbreitet, da gleichbleibende Regelarbeitstage oft nicht definiert werden können.
In diesem Zusammenhang ist dann unbedingt eine wöchentliche Arbeitszeit erforderlich und vertraglich festzuhalten.
Diese kann wie folgt definiert werden:
- Wöchentliche Mindestarbeitszeit: Bei einer Mindestarbeitszeit darf der Arbeitgeber bis zu 25 % Arbeitszeit zusätzlich zur vereinbarten Arbeitszeit abrufen
- Wöchentliche Höchstarbeitszeit: Bei einer Höchstarbeitszeit darf der Arbeitgeber bis zu 20 % Arbeitszeit weniger von der vereinbarten Arbeitszeit abrufen
Problematisch wird es, wenn keine wöchentliche Arbeitszeit festgelegt wird.
Im Falle einer Betriebsprüfung wird dann eine wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden zugrunde gelegt.
Bereits mit dem Mindestlohnanspruch, der auch für geringfügig angestellte Arbeitnehmer gilt, wird folglich die Mindestlohngrenze von 520,00 € pro Monat überschritten.
Der Status einer geringfügigen Beschäftigung geht folglich verloren.
2.2 Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
Wenn ein geringfügig beschäftigter Mitarbeiter an einem Arbeitstag unerwartet krank wird, muss für diesen, wie für jeden anderen Mitarbeiter, das Entgelt fortgezahlt werden. Der Arbeitnehmer ist im Krankheitsfall so zu vergüten, als ob er während der Krankheitszeit gearbeitet hätte.
Bei geringfügig Beschäftigten kann das zu einer Gefahr werden, wenn der Mitarbeiter statt des Krankheitstages "zum Ausgleich" an einem anderen Tag arbeitet und somit durch die tatsächlich geleistete Arbeit (ohne den Krankheitstag) ein Bruttolohn von 520,00 € verdient. Da der Mitarbeiter einen rechtlichen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall hat, übersteigt das monatliche Entgelt dann die 520.00 EURO Grenze, was wiederum zur Sozialversicherungspflicht führen würde.
2.3 Entgeltfortzahlung bei Urlaub
Auch geringfügig Beschäftigte haben einen gesetzlichen Anspruch auf Urlaub. Wie bei anderen Beschäftigten ist die Anzahl der Urlaubstage abhängig von den Arbeitstagen pro Woche (die Arbeitszeit pro Arbeitstag ist hier nicht relevant). Arbeitet ein geringfügig beschäftigter Mitarbeiter üblicherweise an 2 Tagen pro Woche, ergibt sich ein Urlaubsanspruch von 8 Tagen (2 x 24 / 6) im Jahr, auch wenn er nur 10 Stunden in der Woche arbeitet.
Die Höhe der Entgeltfortzahlung errechnet sich grundsätzlich aus dem durchschnittlichen Stundenlohn der vergangenen 13 Wochen, vor Beginn des Urlaubs.
Vor allem bei geringfügig Beschäftigten wird dieser rechtliche Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Urlaubsfall oft nicht erfüllt.
Im Falle einer Betriebsprüfung wird die Höhe des Urlaubsanspruches des entsprechenden Jahres bzw. die daraus resultierende Höhe der versäumten Entgeltfortzahlung zum verdienten Jahreseinkommen des geringfügig beschäftigten Mitarbeiters hinzugerechnet. Übersteigt die Summe die Jahresgrenze von 5.400,00 € (12 x 520,00 €), ist der Mitarbeiter voll sozialversicherungsplichtig. Die Sozialversicherungsbeiträge sind dann für das ganze Jahr nachzuzahlen.
2.4 Sonn-, Feiertags- und Nachtzuschläge
Mit SFN-Zuschlägen können geringfügig beschäftigte Mitarbeiter grundsätzlich mehr als 520,00 € pro Monat verdienen, solange das Steuer- bzw. Sozialversicherungsbrutto (ohne SFN-Zuschläge) die Grenze nicht überschreitet.
Wenn Arbeitnehmer Zuschläge für Sonn-und Feiertags- oder Nachtarbeit (SFN-Zuschläge) erhalten, müssen diese Zuschläge auch in der Entgeltfortzahlung an gesetzlichen Feiertagen bzw. im Krankheits- oder Urlaubsfall berücksichtigt werden (nach §1 EStG). Wie in 2.3 bereits erwähnt, errechnet sich die Entgeltfortzahlung aus dem durchschnittlichen Stundenlohn, inklusive Zuschläge, der vergangenen 13 Wochen.
Die Besonderheit hierbei ist, dass SFN Zuschläge nur dann steuer- und sozialversicherungsfrei sind, wenn tatsächlich eine Arbeitsleistung vollbracht wurde. An gesetzlichen Feiertagen (an denen nicht gearbeitet wurde) bzw. bei Krankheit oder Urlaub, also während der Entgeltfortzahlung, entfällt folglich die Steuer- und somit auch Sozialversicherungsfreiheit für diese Zuschläge.
Bei einem geringfügig beschäftigten Arbeitnehmer kann das dann zu einem Problem werden, wenn dieser ein monatliches Einkommen von 520,00 € und zusätzlich SFN-Zuschläge erhält. Unter Berücksichtigung der SFN-Zuschläge im Urlaubsfall übersteigt dann das Arbeitsentgelt regelmäßig die 520,00 € Grenze. Somit liegt keine geringfügige Beschäftigung mehr vor.
SFN-Zuschläge, die während einer Schwangerschaft (Beschäftigungsverbot nach dem Mutterschutzgesetz) oder im Krankheitsfall in der Entgeltfortzahlung berücksichtigt werden, wirken sich nicht auf den Status der Geringfügigkeit aus. Im Unterschied zum Urlaub können eine Krankheit bzw. eine Schwangerschaft nämlich nicht vorhergesehen werden. Der Status der Geringfügigkeit ist hier also nicht gefährdet, auch wenn die 520,00 € Grenze teilweise überschritten wird.
Weiterführende Informationen:
- https://www.haufe.de/personal/entgelt/phantomlohn/phantomlohnfalle-entgeltfortzahlung-und-urlaubsentgelt_78_484078.html
- https://www.paychex.de/wissenswertes/blog-wichtiges/sfn-zuschlage-fur-450-euro-krafte-und-geringverdiener/
3 Mit der Phantomlohnfalle korrekt umgehen
Um vor Prüfungen sicher zu sein, ist es für Arbeitgeber entscheidend zu wissen, wie mit den Herausforderungen, die die Phantomlohnfalle mit sich bringt, umgegangen werden sollte.
Bei geringfügig Beschäftigten sollten grundsätzlich die geltenden Regeln zur Überschreitung der Verdienstgrenze beachtet werden.
3.1 Umgang mit Urlaub
Option 1: Urlaub während des Jahres berücksichtigen
Die einfachste und naheliegendste Option ist es, den Urlaubsanspruch (= tatsächliche Anzahl der Arbeitstage pro Woche x Mindesturlaub bei Vollzeit / mögliche Arbeitstage pro Woche) eines geringfügig Beschäftigten bereits während des Jahres in voller Höhe zu berücksichtigen.
Das bedeutet in der Praxis: Wenn ein geringfügig Beschäftigter in den Urlaub fährt, sollte dieser, für die Tage an denen er/sie eigentlich gearbeitet hätte, Entgeltfortzahlung für diese(n) Tag(e) erhalten.
Wenn ein Beschäftigter also normalerweise 1 Tag pro Woche arbeitet und zwei Wochen in den Urlaub fährt, sollte er/sie für 2 Tage Entgeltfortzahlung erhalten.
Wie bei Punkt 2.3 bereits erwähnt, ist hierbei darauf zu achten, dass der Urlaubsanspruch korrekt ermittelt wird. Bei einem geringfügig Angestellten, der normalerweise 1 Tag pro Woche arbeitet, beträgt der Urlaubsanspruch 4 Tage im Jahr (1 x 24 / 6).
Option 2: "Rückstellung" während des Jahres
Wenn dem Urlaubsanspruch eines Mitarbeiters während des Jahres nicht nachgekommen wird, muss am Ende des Jahres der volle Urlaubsanspruch (zusätzlich zum Lohn im Dezember) entgolten werden.
Wenn der Mitarbeiter jedoch während des Jahres ein durchschnittliches zu verbeitragendes Monatseinkommen von 550,00 € erhalten hat, wird mit Urlaubsanspruch die 6.240,00 € Grenze überschritten, was wiederum dazu führt, dass keine geringfügige Beschäftigung mehr vorliegt.
Folglich darf das monatlich zu verbeitragende Einkommen, inklusiv des monatlichen Urlaubsanspruches, die 520,00 € Grenze nicht übersteigen. Wenn der Urlaubsanspruch also z.B. Quartalsweise (1 Tag) oder am Ende des Jahres (4 Tage) entgolten wird, sollte das zu verbeitragende monatliche Entgelt 480,00 € nicht überschreiten.
Herleitung:
- Arbeitstage pro Woche: 1 Tag
-> Urlaubsanspruch pro Jahr: 4 Tage - Stundenlohn: 12,00 €
-> wöchentliche Arbeitszeit: max. 9,98 Stunden (520,00 € / 4,34 Wochen pro Monat / 12,00 € / 1 Tag pro Woche) - Durchschnittliches Entgelt an einem Urlaubstag: 119,76 € (12,00 € x 6,64 Stunden pro Tag)
-> Durchschnittliches Entgelt für Urlaub pro Jahr: 479,04 € (119,79 € x 4 Tage Urlaubsanspruch) - Maximales Jahreseinkommen ohne Urlaub: 5.760,96 € (6.240 € - 479,04 €)
-> Maximales monatliches Einkommen ohne Urlaub: 480,08 € (5.760,96 € / 12 Monate)
3.2 Umgang mit SFN-Zuschlägen
Wie beim Urlaub, sollte auch beim Umgang mit SFN-Zuschlägen darauf geachtet werden, dass das durchschnittlich zu verbeitragende Monatseinkommen die Grenze von 520,00 € pro Monat bzw. 6.240,00 € pro Jahr nicht überschreitet.
Wie in 2.4 bereits erläutert, ist bei Entgeltfortzahlung (z.B. wegen Krankheit oder Urlaub) mindestens der durchschnittliche Stundenlohn der letzten 3 Monate zu zahlen. Wenn der Arbeitnehmer in dieser Zeit SFN-Zuschläge erhalten hat, sind diese im durchschnittlichen Stundenlohn der letzten 3 Monate enthalten und müssen folglich auch bei bei Entgeltfortzahlung gezahlt werden. Der Unterschied: Bei Entgeltfortzahlung sind die SFN-Zuschläge steuer- und sozialversicherungspflichtig.
Das folgende Beispiel soll die Problematik verdeutlichen:
- Der geringfügig angestellte Arbeitnehmer wird nach dem Effektivlohnmodell entlohnt
- Mit dem Arbeitnehmer wurde ein Basisgrundlohn von 12,00 € und ein Auszahlungsbetrag von 14,00 € vereinbart
- Da der Arbeitnehmer oft in der Nacht und an Sonntagen arbeitet, reichen die SFN-Zuschläge aus, um den Auszahlungsbetrag zu erreichen. Dem Arbeitnehmer muss folglich auch kein Ergänzungslohn gezahlt werden.
- Der Arbeitnehmer arbeitet jeden Monat die möglichen 43 Stunden pro Monat und erreicht damit ein zu verbeitragendes Monatseinkommen von 520,00 € nicht zu überschreiten (43 h x 12,00 € = 516,00 €). Durch die Zuschläge erhält der Arbeitnehmer einen Auszahlungsbetrag von 602,00 € (43 h x 14,00 €).
- Im August fährt der Arbeitnehmer eine Woche in den Urlaub und bekommt deswegen einen Urlaubstag
(Beschäftigung: 1 Tag pro Woche á 10 h) bezahlt. - Für diesen Urlaubstag müssen dem Mitarbeiter 140,00 € bezahlt werden (durchschnittlicher Stundenlohn der letzten 3 Monate, also 14,00 € x 10h).
- Wenn der Mitarbeiter nun die restlichen 33 h wie gewohnt arbeitet, übersteigt das zu verbeitragende Monatseinkommen die Grenze von 520,00 €:
140,00 € (EGFZ Urlaub)
+ 396,00 € (33 h x 12,00 €)
------------------------------
= 536,00 € (Zu verbeitragendes Monatseinkommen)
Um die Grenze des zu verbeitragenden Monatseinkommens von 520,00 € nicht zu überschreiten, gibt es nun 2 Möglichkeiten:
- Den Arbeitnehmer im Monat des Urlaubs weniger Stunden einsetzen, dass die 520,00 € Grenze nicht überschritten wird (im Beispiel 31 Stunden oder weniger).
- Geleistete Arbeitsstunden als Überstunden in den nächsten Monat mitnehmen und in der Zukunft abbauen.
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